Der  große Brand in Wyhl

270 Jahre „Feuersbrunst“  07.03.1751-07.03.2021

Diese Woche jährt sich zum 270. mal ein für die Wyhler Ortsgeschichte bedeutendes Ereignis. Am Sonntag, den 07. März 1751, brach in Wyhl ein verheerendes Feuer aus, nachdem die 62 jährige Anna Trutt ihren Stall ausgeräuchert hatte. Bisher hat vor allem die abscheuliche Reaktion auf diesen Brand Aufmerksamkeit erfahren:   Anna Trutt wurde am 21. April 1751 in Endingen als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Diesem Verbrechen hatte sich unter anderem Edwin Röttele mehrfach angenommen, nicht zuletzt vor zwanzig Jahren, zum 250. Jahrestag des Justizmordes.

Das Feuer selbst und seine Auswirkungen auf das Dorf haben indes weniger Aufmerksamkeit erfahren.   Das Feuer brach laut dem Tagebuch des hiesigen Pfarrers nachmittags um halb zwei aus.  Innerhalb kürzester Zeit breitete es sich auf weitere Stallungen aus. Löschutensilien wurden zur Eindämmung durch den Vogt und Adlerwirt  Johannes Schweizer aus dem „Spritzenhisli“ verteilt, Feuerreiter wurden in die Nachbarorte versandt. Der Abt Peter Klunk aus St.Märgen schrieb hierzu: „Die Nachbarschaft hat villes geholfen, und haben nur die Kenzinger 80 Mann mit Sprizen, Feueraimer etc. darzu geschickt.“  Der Brand entfachte laut dem Abt oben im Dorf, in Richtung Endingen. Versucht man nun den Brandverlauf nachzuempfinden, müssen die damaligen Ortsverhältnisse berücksichtigt werden. Wyhl glich noch einem mittelalterlichen Dorf, die Häuser standen eng beinander und waren mit Stroh und Holzschindeln bedeckt, breite Straßen gab es wenige und die Wege trugen andere Namen. So hieß die Hauptstraße „Lange Gass“, in der Guldengasse verlief eine Stichgasse namens „St. Märgemer Gass“. Die Ortsfläche entsprach nur  etwa einem Drittel des heutigen Dorfes. Der Ortsetter erstreckte sich von Ost nach West von der Etterstraße bis zur Reckholderstraße, und von Norden nach Süden von der Weisweiler Straße bis zur Endinger Straße. Nach Fritz Späths Beschreibung kann am Brandtag von einem Südwest Wind ausgegangen werden. Diese Behauptung deckt sich mit dem Schadensbild, das von dem Abt Peter Glunk gegeben wird, wonach der größte Schaden im Bereich der St.Märgemer Gasse entstand. Die Zahl der insgesamt zerstörten Häuser liegt, je nach Quelle, zwischen 80 und 88 Häusern. Peter Glunk erwähnt außerdem ein Pferd und vier Kühe, sowie ein dreijähriges Kind (nach der Ortschronik Blasius Blum), welche durch das Feuer umgekommen seien. Die brennenden Schindeln der Häuser seien bis nach Weisweil geflogen, die Totenbäume auf dem Friedhof hätten ebenfalls Feuer gefangen, auch die hölzernen Brunnensäulen verbrannten , was als übernatürliches Zeichen gedeutet wurde. Das Wasser der Brunnen habe für die Löscharbeiten nicht mehr ausgereicht, der Brandweier am Rheinbrückle (Nepomuk) sei leergeschöpft gewesen. Die Löschketten wurden daher bis an den Rheingießen (Mühlbach) gebildet. Nach dem Feuer wurde mehrere Nächte Brandwache gehalten um wieder aufflammende Glutnester zu ersticken. Hierbei haben sich vor allem die Endinger Helfer über alle Maße verdient gemacht.

Insgesamt wurde der Schaden auf 80 000 Gulden geschätzt, Peter Glunk erwähnt außerdem „1000 Viertel Frucht“ welche „theils verbrennt, theils gestollen worden“ seien.  Die Ausmaße des Brandes waren für die Dorfbewohner nicht rational zu erklären, die Mutmaßungen eskalierten und Anna Trutt wurde schnell denunziert und verhaftet. Die erste Nacht wurde sie im Lehrerhaus in einer Kammer unter der Treppe festgesetzt, dort wo heute das Feuerwehrhaus steht. Erstmals schrieb 1780 ein Journalist Sander in der Leipziger Zeitung über den Vorfall, in einem „Beitrag zur Hexengeschichte von Deutschland“. Detailgenau wird dargelegt, was Anna Trutt später unter Folter ausgesagt hatte. Auch die Initialen der Wyhler Denunzianten wurden von Sanders erfasst. Die Zahl der Schaulustigen bei Anna Trutts Hinrichtung schwankt zwischen 6000 und 12000 Anwesenden.

Der Brand hatte langfristige  Auswirkungen auf das Wyhler Ortsbild. Der Ort sollte sich nach dem Wiederaufbau  über seine ehemaligen Grenzen erstrecken, damit mehr Raum zwischen den Häusern liegen könne. Es entstanden neue Straßen und Gässlein. Es kann vermutet werden, dass beispielsweise die Adlergasse hier ihren Ursprung hat. Der damalige Wyhler Rat erstellte außerdem laut Fritz Späth eine Brandgeschädigten Liste und zwei Wyhler Bürger erhielten eine Genehmigung, um in anderen Ortschaften Spenden zu sammeln,  welche in einem Sammlungsbuch eingetragen wurden. So spendeten beispielsweise Königschaffhausen 12 Viertel Frucht und Leiselheim sechs Viertel. Peter Glunk erwähnt außerdem den Wiederaufbau der Wyhler Scheune im Juni 1751 als Brandhilfe anderer Ortschaften, sie sei „größer und weith besser gemacht worden.“  Heute kann in der Guldengasse an einigen Fachwerkhäusern anhand der Balkenritzung erkannt werden, ob sie beim Brand vom 07.März 1751 beschädigt wurden.

Die Geschichte des Brandes kann einerseits als Erinnerung dienen, wie Ortschaftsgrenzen bei der Bekämpfung des Brandes und beim Wiederaufbau überschritten wurden und Solidarität mit den Wyhler Bürgern* innen gezeigt wurde. Es muss aber immer gemahnt werden, dass einzelne als Sündenböcke hinhalten mussten und Verbrechen begangen wurden, die durch die Ausmaße des Brandes nicht gerechtfertigt werden können. Die Geschichte der Feuersbrunst von 1751 und ihre Auswirkungen ist somit vielschichtig und verdient es, weiterhin Aufmerksamkeit zu erfahren.

Joachim und Niklas Kniebühler, Februar 2021, Heimatverein Wyhl

Bild: Skizze Dorf Wyhl um 1750 (erstellt von Joachim Kniebühler, nach Vorlage Karte aus Landesarchiv Karlruhe)
Anna Trutt